29/11/2024 0 Kommentare
Perspektiven, Zuhören, Verständigung
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Perspektiven, Zuhören, Verständigung
Trialog zum Nahost-Konflikt mit Schülerinnen und Schülern
„Was fällt euch ein, wenn ihr Israel-Palästina hört?“ Es dauert einen Moment, bis die Schülerinnen und Schüler warm werden und „loslegen“. Es gibt kein richtig und kein falsch, haben Shai Hoffmann und Nadine Migesel ihnen zu Beginn gesagt. Und schließlich trauen sie sich und benennen ihre Gedanken und ihre Assoziationen. „Terror“ und „Krieg“ ist zu hören, aber auch Begriffe wie „Religion“ oder „Zwei-Staaten-Lösung“ fallen.
Im Andachtsraum der Matthias-Claudius-Schulen haben sich Schülerinnen und Schüler der 8. und der 13. Jahrgangsstufe zum Trialog versammelt. Das Projekt ist ein multiperspektivisches Gesprächsformat über den Nahostkonflikt, das von Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann initiiert wurde. Zuhören, Verständigung, Aushalten sind die Schlagworte, die das Projekt prägen.
Schon bei ihrer Vorstellung zeigen Shai Hoffmann und Nadine Migesel die „Mehr- und Gleichzeitigkeit von Realitäten“ auf. Eine jüdische Familie, die in Israel zum ersten Mal die Erfahrung macht, nicht Teil einer Minderheit zu sein. Eine deutsch-Palästinenserin mit israelischer und deutscher Staatsangehörigkeit. Ein Raum in Deutschland, in einer funktionierenden Schule, wo es Wasser und Strom gibt und keinen Bombenalarm – und in dem junge Menschen sitzen, die der Konflikt, der Krieg im Nahen Osten beschäftigt und berührt.
Kaum jemand der Jungen und Mädchen war schon einmal in Israel und Palästina. Nur wenige heben die Hand, als gefragt wird, ob sie schon einmal einem Palästinenser oder einer Palästinenserin begegnet sind. Einige mehr haben schon Jüdinnen und Juden kennengelernt – klar, die Klasse hatte einmal eine Synagoge besucht. Aber fast alle fühlen sich emotional verbunden. Die Gefühle reichen von Überforderung – „ich habe das Gefühl, es wird von mir erwartet, mich auf eine der beiden Seiten zu stellen, aber die Situation ist komplex und ich kann mich nicht einfach so positionieren“ – über Interesse – „ich weiß einfach nicht genug über die Situation und den Konflikt“ – bis hin zu Angst: „Ich habe den Eindruck, dass man nicht immer seine freie Meinung sagen darf. Ich sehe im Internet, wie junge Menschen zum Beispiel eine Palästina-Flagge zeigen und dafür eine Strafe bekommen. Und ich habe Angst, dass mir das auch passieren könnte“.
Die Jugendlichen sprechen offen und frei. Lehrkräfte dürfen höchstens zuhören und dabei sein, aber selbst nichts sagen. Der Trialog will Empathiebildung und Demokratieverständnis fördern, Toleranz einüben und den Schülerinnen und Schülern Raum geben für die emotionalen Herausforderungen, die der Konflikt mit sich gebracht hat. „Gleichzeitig soll dem großen Unwissen über die verschiedenen Grautöne, den zunehmenden menschenfeindlichen Vorurteilen und den zahlreichen Verschwörungstheorien im Zusammenhang des Nahostkonfliktes entgegengewirkt werden“, beschreibt die Gesellschaft im Wandel das Ziel der Trialoge.
Das Schulreferat im Evangelischen Kirchenkreis Bochum hatte sich bereits vor dem 7. Oktober 2023 um einen Trialog in Bochum beworben, erklärt Referatsleiterin Dr. Elke Jüngling. Nachdem das Trialog-Team – das mehr als 1000 Anfragen pro Jahr erhält – zugesagt hatte, wurden Bochumer Schulen gesucht, die Interesse haben und das Format terminlich ermöglichen konnten. „Schulen zu einem Ort des gegenseitigen Zuhörens, der Verständigung, des Aushaltens und Wachsens zu machen, ist ein großartiges und wertvolles Projekt“, so Elke Jüngling. Eine erneute Bewerbung ist bereits auf dem Weg in der Hoffnung, dass im nächsten Jahr ein weiterer Trialog in Bochum realisiert werden kann.
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