„Der Tod als Kern unserer Lebenserfahrung“

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„Der Tod als Kern unserer Lebenserfahrung“

Evangelische Stadtakademie eröffnete ihr neues Halbjahresprogramm mit Rilkes Stundenbuch

Rilke, Paris und die Armut: Mit einer poetisch-musikalischen Inszenierung in der Christuskirche am Platz des europäischen Versprechens startete die Evangelische Stadtakademie ins neue Jahr.


Im Buch „Von der Armut und vom Tode. Das Stunden-Buch, Band 3“ verarbeitete der Dichter Rainer Maria Rilke seine Erfahrungen, die er mit der modernen Großstadt Paris Anfang des 20. Jahrhunderts gemacht hat. „Die gewaltsame Armut und der Tod, die ihm dort begegnet sind, führten ihn auf die Spur einer spirituellen Armut, in der der Tod nicht der Schrecken, sondern die Frucht des Lebens ist“, erläutert Akademieleiter Arno Lohmann.

Der Titel „Stunden-Buch“ erinnert an die seit dem 15. Jahrhundert verbreiteten Gebetbücher, in denen nicht nur Bußpsalmen und die Anfänge der Evangelien enthalten waren, sondern auch einzelne, an bestimmte Tageszeiten bzw. Stunden gebundene Gebete.

Gestaltet wurde der Rilke-Abend sehr eindringlich von Professor Mark Burrows, Bochum, und Professor Gotthard Fermor, Bonn. Im Wechsel trugen sie ausgewählte Gedichte aus dem 3. Stunden-Buch, Wissenswertes zu Rilkes Leben sowie Meditationen zu den angesprochenen Themen „Armut“ und „Tod“ vor. Zusätzlich wurden schwarz-weiß-Fotos, die in Paris entstanden sind, auf eine Leinwand im Altarraum projiziert.

„Doch was wäre der Abend ohne ihn?“ Mit diesen Worten begrüßte Akademieleiter Lohmann Josef Marschall, der mit seinen meditativen Klavierkompositionen zwischen den Vorträgen faszinierte. Ruhige, eindringliche Jazzklänge, die die Zuhörer an diesem Abend mit auf die Reise nahmen, hin zu Rilke und seiner Sicht auf Gott, Armut und den Tod.

„Wir haben uns von der Sehnsucht, die in Rilkes Texten zu spüren ist, mitziehen lassen. Wir haben uns bemüht zu verstehen. Aber noch viel wichtiger, wir haben sie in uns klingen lassen.“ Fermor erläuterte die Herangehensweise an die Gedichte und die daraus entstandene Inszenierung, die nun in Bochum vorgetragen wurde.

Dabei wurde auch ein Blick auf den Mystiker Rilke geworfen. Etwa, wie er über den „armen Gott“ sinniert (Dein ist nichts, so wenig wie der Wind/ Du bist so arm wie Blumen in den Gleisen/ Du bist wie eine Harfe, an der jeder Spielende zerschellt). Rilke führt Franz von Assisi als Beispiel des armen, mittellosen Gottes an. Damit äußerte er die Hoffnung, dass die Armut das Wesen Gottes zeigt.

Das zweite Thema dieses sehr intensiven Abends: Der Tod. „Man könnte Rilkes Werke als eine Einsicht in das gute Sterben sehen“, fasste Burrows, der an der Evangelischen Hochschule in Bochum unterrichtet, zusammen. Der Tod als Kern unserer Lebenserfahrung. „Denn wir sind nur die Schale und das Blatt. Der große Tod, den jeder in sich hat, das ist die Frucht, um die sich alles dreht.“

Gefangen genommen von der Intensität dieses Rilke-Abends, ließen die Zuhörer den letzten Ton noch lange ausklingen, bis schließlich doch noch lange applaudiert wurde.

Frauke Haardt-Radzik




Einen musikalisch-poetischen Rilke-Abend gestalteten (v.l.n.r.) Pianist Josef Marschall, Professor Gotthard Fermor und Professor Mark Burrows. Foto: Frauke Haardt-Radzik

Das neue Halbjahresprogramm

Mit diesem Abend startete die Evangelische Stadtakademie ins neue Jahr. Neben vielen interessanten Programmpunkten zu Themen aus Kultur, Religion und Gesellschaft ist die Vortragsreihe: „Krise der Demokratie? Zwischen (Rechts-)Populismus und Gegenstrategien“ neu dabei. Die Inszenierung und Online-Propaganda radikaler Gruppierungen wird beispielsweise unter die Lupe genommen.

Ein zweiter Schwerpunkt ist die Beteiligung der Stadtakademie beim Evangelischen Kirchentag vom 19.–23. Juni in Dortmund. Ein Frieden stiftendes Kunstprojekt wird dort präsentiert.

„Mit ,Bottari –Bündel der Erinnerung‘ erinnern wir auf Zeche Zollern mit einer Ausstellung, mit Vorträgen, Performances und einem Film an die Schicksale der koreanischen ,Trostfrauen‘, die als Sex-Slavinnen in japanischen Kriegsbordellen missbraucht wurden“, gibt Akademie-Leiter Arno Lohmann einen Ausblick auf das Kirchentagsprojekt und das kommende Akademieprogramm. FHR

Das gesamte Programm finden Sie hier.

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