Hilflosigkeit und Hoffnung

Erstellt am 07.03.2022

Bochumer Religionsgemeinschaften beten für Frieden und Gerechtigkeit

„Normalerweise würde ich mich riesig freuen, so viele Menschen vor der Synagoge zum Gebet versammelt zu sehen“, begrüßte Grigoriy Rabinovich die mehr als einhundert Besucherinnen und Besucher auf dem Erich-Mendel-Platz. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen fuhr fort: „Aber ich kann mich nicht freuen. Denn der Grund, weshalb wir hier zusammengekommen sind, ist ein grausamer. Es herrscht Krieg in Europa.“

Die Bochumer Religionsgemeinschaften hatten angesichts des Krieges in der Ukraine gemeinsam zum Gebet für Frieden und Gerechtigkeit vor der Synagoge Bochum aufgerufen. Viele Mitglieder der Jüdischen Gemeinde haben Verwandte und Freunde sowohl in der ukrainischen wie in der russischen und belarussischen Gesellschaft. Seit Tagen verfolgen sie die Nachrichten mit unmittelbarer Sorge.

Zorn, Trauer und Scham, so beschrieb Rabinovich seine Gefühle und die vieler Mitglieder seiner Gemeinde. „Ich bin in Moskau geboren. Und ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich mich für meine Heimat einmal so schämen muss.“ Er ahne eine schlimme Zeit voraus. „Ich wünsche uns allen, dass die Demokratie gewinnt. Das Böse kann nicht gewinnen, das zeigt uns die Erfahrung der Geschichte.“

„Wir fühlen uns miteinander verbunden in der Hilflosigkeit angesichts des Krieges – als Religionsgemeinschaften, über Länder-Grenzen und auch über religiöse Grenzen hinweg: Dass da jemand ist, der helfen kann, wenn Menschen nicht mehr helfen können“, sagte Superintendent Dr. Gerald Hagmann. Das jedenfalls sei seine Hoffnung: „Dass jemand da ist, in dieser unfriedlichen Zeit, wie der lange Atem, der Menschen überall auf dem Globus friedliche Lösungen einhaucht. Und wie ein Flüstern, das mich ahnen lässt: Es geht nicht ungehört vorbei an ihm, Gott, zu dem wir beten.“

Auch İsmail Sütsever, Imam der DiTiB-Zentralmoschee Bochum, betonte die Einigkeit und die Verbundenheit ungeachtet der Religion, Ethnie oder Hautfarbe: „Das alles spielt keine Rolle. Es ist das Menschsein, das uns verbindet.“ Er sprach von seiner Hoffnung für Hilfe für diejenigen, denen von hier aus nicht geholfen werden könne. „Wir wollen in einer Welt leben, in der die Menschen friedlich miteinander leben.“

Stadtdechant Michael Kemper bat um ein Ende der kriegerischen Gewalt, Einsicht und Besonnenheit für die Machthaber und Schutz für die Menschen in der Ukraine. „Wer, wenn nicht Gott, hat die Macht, das Leben der Menschen zu retten und den Krieg zu beenden.“

Zahlreich waren Menschen aller Religionsgemeinschaften zu dem gemeinsamen Gebet gekommen, um ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine zu zeigen und in der Gemeinschaft ihre Sorgen und Ängste vor Gott zu bringen. Viele von ihnen folgten auch der Einladung zum anschließenden Gottesdienst zum Schabbat in der Synagoge.

Vorbeter Aaron Naor von der Jüdischen Gemeinde, İsmail Sütsever, Imam der DiTiB-Zentralmoschee Bochum, Grigoriy Rabinovich, Vorsitzender Jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen, Superintendent Dr. Gerald Hagmann und Stadtdechant Michael Kemper beim Gebet vor der Synagoge Bochum.