Langendreer blickt auf 770-jährige Gemeindegeschichte zurück

Erstellt am 04.11.2021

Männerdienst Langendreer-Dorf befasst sich mit den Gemeindeanfängen bis 1919

Die Stadt Bochum begeht in diesem Jahr ihr 700-jähriges Bestehen, aufgrund der Verleihung der erweiterten Marktrechte auf der Burg Blankenstein am 8. Juni 1321. Grund genug für Schriftführer Wilhelm Ruland vom Evangelischen Männerdienst Langendreer-Dorf, um nachzuschlagen, seit wann es kirchengemeindliche Anfänge im heutigen Stadtteil gibt. „Ich kam auf etwa 770 Jahren, denn so lange steht unsere Christuskirche im Dorf, errichtet um 1250“, sagt er. Dafür steht bis heute der Glockenturm ein, der damals als Wehrturm gebaut wurde. Das Kirchenschiff erlebte hingegen über die Jahrhunderte so manche Instandsetzung und Erweiterung.

Seine Nachforschungen trug Ruland nun bei einem Vortragsabend des Männerdienstes zu „770 Jahre Christuskirche im Dorf“ vor. Als Grundlage diente ihm ein Manuskript des ehemaligen Gemeindepfarrers Albert Lichtenthäler, der von 1917 bis 1949 an der Lutherkirche im Stadtteil wirkte (Evangelische Gemeinde Langendreer-West). „Mit seiner Berufung zum Pfarrer ging damals die Aufteilung der Gesamtgemeinde in Einzelgemeinden einher. Deshalb endet mein Vortrag in 1919“, so der Schriftführer zu seinen etwa 20 interessierten Zuhörern.

Zurück zur Historie. Schon vor dem Bau der ersten Dorfkirche als Kapelle, die zur Pfarrei St. Bartholomäus in Lütgendortmund gehörte, fand seit etwa 650 eine Christianisierung der Region statt. „Mit den Wandermönchen (637-713), Willibrord (658-739) und Bonifatius (719-754) begann die Missionierung östlich des Rheins“, so Ruland. Frankenkönig Karl der Große (768-814) gründete später die ersten Bistümer, etwa in Münster. Ruland: „Die neuen Bistümer organisierten das aufblühende christliche Leben in den entstehenden Gemeinden. Darunter auch in ‘Threiri‘ oder ‘Dreer‘, das spätere Langendreer.“ Bereits im Jahr 890 wurde die Gemeinde im Heberegister des Benediktinerklosters Werden als selbstständig geführt.

Der Bau erster Gotteshäuser jenseits der Bischofssitze begann, teilweise als Holzbauten. „In Langendreer vermutet man, dass bereits im 8. Jahrhundert ein Gotteshaus gestanden hat und zwar als Eigenkapelle der örtlichen Edelleute“, erklärt der ehemalige Bankkaufmann zur damaligen Situation. Nächster vermuteter Entwicklungsschritt: ein kleiner Steinbau ohne Turm um das Jahr 1000. „Das erste bekannte und heute noch stehende Gotteshaus wurde um 1250 gebaut. Es war eine Marienkirche“, so Ruland. Um 1300 erhielt die Gemeinde ein „Kirchspiel“ als Filial-Gemeinde der Lütgendortmunder Pfarrei.

Mit dem katholischen Pfarrer Johannes Schmidt begann 1554 die Reformation. Die Marien-Kirche und viele ihrer Gemeindemitglieder wurden evangelisch. „Damit war Langendreer die erste Gemeinde im Amt Bochum, die zum evangelischen Glauben übertrat“, betont der ehemalige Finanzkirchmeister der Gemeinde. Kriegerische Zeiten mit entsprechenden Zerstörungen folgten nicht nur mit dem 30 Jahre dauernden Reformationskrieg (bis 1648), sondern schon zuvor mit dem spanisch-niederländischen Krieg ab 1568. „Mittendrin erhielt die junge Gemeinde eine neue Kirchenordnung und ein Evangelisches Glaubensbekenntnis“, erinnert Ruland. Erst 1663 stellt die inzwischen preußische Obrigkeit die Rechtmäßigkeit des neuen Gemeindestatus fest. Einher ging damit die Loslösung von der Pfarrei St. Bartholomäus.

Das Kirchenpatronat unterlag weiterhin örtlichen Edelleuten. Das heißt, sie bestimmten, wer als Pfarrer die Gemeinde leitete. Ruland: „In den folgenden 210 Jahren bis in die Zeit der Industrialisierung (ab etwa 1870) betreuten insgesamt 12 Pfarrer die Gemeinde.“ Die Chronik von Pfarrer Lichtenthäler beinhalte so manche Anekdote zu diesen, so Ruland. Manche davon präsentierte er. Die Kirche erhielt in dieser Zeit manchen Ausbau. Es gab ein Kirchengesangbuch (1723). Drei über die Jahre angeschaffte Orgeln übernahmen die Kirchenmusik (1723, 1744 und 1859). Ein neuer Friedhof ersetzte 1846/47 den historischen Kirchhof rund um die Dorfkirche.

Durch die zahlreichen errichteten Zechen im Zuge Industrialisierung wuchs in Langendreer die Anzahl der Gemeindemitglieder enorm. „Diese wünschten sich ein intensiveres Gemeindeleben“, berichtet Ruland. Als erstes entstand 1872 der Evangelische Frauenverein, heute die Frauenhilfe. 1884 gründete sich ein Evangelischer Arbeiterverein. Gemeindehäuser wurden errichtet und weitere Pfarrstellen eingerichtet, um die stetig wachsende Gemeindegliederzahl seelsorgerlich versorgen zu können. Fünf Kindergärten folgten bis 1908.

Im Zuge der Errichtung der Luther- und der Pauluskirche – beide in 1904/05 – erhielt die Dorf- oder Marienkirche 1904 ihren heutigen Namen „Christuskirche“. Da die Gemeinde auseinanderdriftete, gab es Diskussionen um die Verselbständigung einzelner Gemeindeteile. Langendreer-West (Lutherkirche am Alten Bahnhof) machte am 1. Juli 1917 mit Pfarrer Lichtenthäler den Anfang. „Mit der Verselbständigung dieses ersten Bezirks brach ein neues Kapitel für die ‘uralte‘ 770 Jahre alte Gemeinde im Langendreer-Dorf an“, betont der Referent. Dieses Kapitel hebt er sich für ein anderes Mal auf. Mit Beifall verabschiedeten die Zuhörer zusammen mit dem Vorsitzenden Karel Niedenführ den Referenten.

Fritz-Wicho Herrmann-Kümper

770 Jahre Christuskirche Langendreer: Wilhelm Ruland vom Ev. Männerdienst Langendreer-Dorf erinnerte an die bewegte Gemeindegeschichte bis 1919. Foto: Fritz-Wicho Herrmann-Kümper

Die heutige Christuskirche: Der Kirchturm setzte um 1250 den Auftakt zur 770-jährigen Gemeindegeschichte. Foto: Fritz-Wicho Herrmann-Kümper