„Pott-Rabauken“ bringen Seniorenheimbewohner auf Trab

Erstellt am 25.06.2020

Im Katharina-von-Bora-Haus wecken Hühner so manche Erinnerung

Hausbewohnerin Waltraud Hirschmann und Sozialarbeiterin Bärbel Abrolat füttern die Hühner. Foto: Fritz-Wicho Herrmann-Kümper

Bertha, Goldie, Katharina und Susi sind die Neuen im Katharina-von-Bora-Haus der Diakonie Ruhr. Sie sind schwer beliebt bei Hausbewohnerin Waltraud Hirschmann und den 115 weiteren Bewohnern des Seniorenzentrums am Stadtpark. Bereits am frühen Morgen wecken die vier Hühner mit ihrem fröhlichen Gegacker nicht nur die Senioren, sondern bringen auch so manchen auf Trab.


Etwa Hausbewohnerin Christa Schäfers. Pünktlich um sieben Uhr früh steht die 90-Jährige mit weiteren Senioren im Büro von Sozialarbeiterin Bärbel Abrolat und möchte die Hühner aus ihrem nächtlichen Schutzhaus im Garten lassen. „Sie wuchs auf einem Bauernhof in Schleswig-Holstein mit Hühnern auf und findet es -wie viele andere hier – klasse, dass unsere Miethühner da sind“, erklärt Abrolat.

Weitere neue Rituale schließen sich an in Zeiten, in denen aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen kein Besucher, die ansonsten Abwechslung ins Haus bringen, hineindarf. An jedem Morgen suchen die Senioren die Nester im Stall ab und sammeln die Eier ein. Da jedes Huhn der alten katalanischen Rasse „Empordanesa“ täglich ein braunes Ei legt, kommt einiges zusammen. Die Sammler tragen die Fundstücke – nebst Datum und Gewicht – sorgfältig in ein Eiertagebuch ein. Auch die Eier bekommen ein Datum. Sind 16 zusammen gibt es ein gekochtes Frühstücksei für einen der sieben Wohnbereiche im Haus. Für die Sammler ist etwas Weiteres wichtig. Abrolat: „Sie stellen fest, dass sie noch schreiben können und sind stolz darauf.“

Hinzukommt das Füttern der Hühner im Wechsel der Etagen zu verschiedenen Tageszeiten. Neben Trauben erhalten sie gekochte Kartoffeln, Nudeln und Avocados. „Am liebsten essen sie Melone“, strahlt Hirschmann, als sie für den Fotografen den Hühnern eine Traube mit der flachen Hand hinhält. „Die haben immer Appetit“, erklärt sie dazu. Zielsicher picken Bertha, Goldie, Katharina oder Susi sie herunter.

Die Hühner sind Mitte Juni im Seniorenheim eingezogen. Abrolat mietete die „Pott-Rabauken“ – so ihr Name - nebst Fuchs sicherem Gehege und Stall sowie Kraftfutter vom Essener Bauern Weber. „Die Spenden, die bei der Beerdigung eines unserer Hausbewohner zu Gunsten des Heims zusammenkamen, ermöglichten das“, erklärt sie. Noch etwa weitere acht bis zehn Wochen wird das Geld reichen. Dann gehen die Hühner an den Bauern zurück – wenn sich nicht neue Spender finden.

Und warum Hühner? „Mit dem Verstorbenen hatte ich vor seinem Tod ein langes Gespräch“, berichtet die Leiterin des Sozialen Dienstes. „Dabei erzählte er mir, dass er auf einem Bauernhof aufwuchs.“ In Gedenken an ihn kam es so zu den Hühnern.

Die Begeisterung im Haus ist groß, denn viele der Senioren wuchsen ebenfalls mit Geflügel auf. „Fast täglich berichten seitdem Bewohner ihren Pflegern, welche Kindheitserfahrungen sie mit Hühnern verbindet“, erzählt Abrolat.

Und wer nicht irgendetwas mit den Hühnern macht, schaut ihnen einfach beim Picken, Scharren und Herumlaufen zu. „Die sind einfach klasse“, freut sich Seniorin Hirschmann. Auch Sohn Frank berichtet davon, der zuvor – mit Sicherheitsabstand über den Zaun – seine Mutter besuchte. „Seit ein paar Wochen ist das bei unseren Telefonaten und Gesprächen stets Thema. Sie ist damit richtig aufgeblüht.“

Fritz-Wicho Herrmann-Kümper