Vor 75 Jahren setzten Panzergranaten die Christuskirche in Brand

Erstellt am 11.04.2020

Lieselotte Schneider erinnert sich an die Zerstörung der Kirche in Linden

Ein weithin sichtbares Ereignis war der Brand der Christuskirche in Linden am eigentlich ersten Friedenstag nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Bochum. Repro: Fritz-Wicho Herrmann-Kümper

 

An diesen Tag am Ende des Zweiten Weltkriegs, den 11. April 1945, erinnert sich Lieselotte Schneider aus der evangelischen Kirchengemeinde Linden ganz genau: "Unsere Christuskirche brannte aus, nachdem sie von Granaten einrückender amerikanischer Panzer getroffen wurde“, erzählt sie. Gerade mal vier Wochen vorher, am 12. März 1945, hatte sie dort noch Gemeindepfarrer Otto Bäumer konfirmiert.


Eigentlich hätte das nicht mehr passieren dürfen, erzählt die heute 89-Jährige im Telefoninterview weiter. „Wenige Stunden zuvor hatte eine Mitarbeiterin der Stadt Handzettel verteilt, auf denen stand, dass die Amerikaner tags zuvor Bochum besetzt hätten und der Krieg vorbei sei“, berichtet sie.

Infolgedessen hängten die Lindener Bürger, so Schneider, weiße Laken aus den Fenstern und gingen nach Wochen mit täglichen Bomben- und Tieffliegerangriffen erleichtert aus ihren Häusern. Sie trafen die Nachbarn oder stellten sich auf der Hattinger Straße an den Geschäften zum Einkaufen an. Die damals 14-Jährige mittendrin.

Doch plötzlich flammte der Krieg für die Stadtteilbewohner noch einmal auf. Eine Panzerkolonne mit amerikanischen Soldaten kam am frühen Nachmittag langsam die Hauptverkehrstraße aus Bochum hochgefahren. "Sie waren in etwa auf Höhe unseres Lindener Kinos, als die Schießerei losging", erinnert sich das langjährige Gemeindemitglied, deren Ehemann viele Jahre lang Presbyter sowie Mitglied im Kirchenchor und im Männerdienst war.

Der Grund: Zwei deutsche Soldaten hatten sich mit einem Maschinengewehr an einem Straßenbahnmast zwischen den Menschen auf Höhe der Christuskirche postiert und schossen auf die Amerikaner. Diese erwiderten das Feuer und alle Menschen flüchteten schnellstens von der Straße. Wie durch ein Wunder wurde niemand getötet oder verletzt.

Beim Gefecht schlug eine Panzergranate auch im Turm der von 1874 bis 1877 errichteten Kirche ein und löste einen Brand aus. „Vermutlich dachten die Soldaten, dass sich jemand im Turm verschanzt habe“, so Schneider. Die beiden deutschen Soldaten verließen jedenfalls ihre Stellung. Die Bürger kamen aus ihren Häusern und starrten entsetzt auf den inzwischen lichterloh brennenden Turm. "Mitten in diesem Massenauflauf stand auch Pfarrer Bäumer, der völlig verzweifelt war“, erzählt Schneider, der sich das Ereignis tief ins Gedächtnis eingegraben hat.

Niemand sah sich in der Lage, das Feuer zu löschen. Allein die Besitzer des Nachbarhauses versuchten ihr Gebäude mit Wasserschläuchen und Eimern feucht zu halten, damit kein Funke auch noch ihr Haus in Brand setzte. Schneider: "Der Turm stürzte ins Kirchenschiff und verbrannte auch dort alles.“

Am Ende war die Kirche bis auf die Grundmauern ausgebrannt. Die gelernte Drogistin blieb mit ihrem späteren Ehemann noch viele Jahre mit Pfarrer Bäumer befreundet und in der Gemeinde aktiv. Dieser kümmerte sich zusammen mit seinem Kollegen Pfarrer Weber um den Wiederaufbau des Kirchenbaus. Sie wurde von 1950 bis 1953 wiedererrichtet und steht heute unter Denkmalschutz.

Fritz-Wicho Herrmann-Kümper