Liebeserklärung an eine „Vergaserpumpe"

Erstellt am 02.10.2018

Uraufführung in der Lukaskirche: Konzert mit Sopran-Saxofon, Oboe und Harmonium

„Mit unserem heutigen Konzert wollen wir Sie irritieren!“ Jörg Gravenhorst und Michael Behrendt spielten nach eigenen Angaben weltweit zum ersten Mal ein Konzert mit Sopran-Saxofon und Harmonium.


Besonders letzteres sei das unbeliebteste Musikinstrument überhaupt, verschrien als Heuchlerkommode oder Vergaserpumpe, erläuterte Gravenhorst während einer Spielpause in der Lukaskirche.

„Wenn beispielsweise die Mechanik eines Klavieres verstellt und es fürchterlich verstimmt ist, werden Sie mir höchstwahrscheinlich Recht geben, wenn ich sage: das Klavier ist ein fürchterliches Musikinstrument. Genauso verhält es sich mit dem Harmonium. Oft sind die Instrumente über 100 Jahre alt. Da bleibt es nicht aus, dass das Leder der Luftbälge porös und undicht ist und die tonerzeugenden Zungen dreckig sind. Die Tonerzeugung funktioniert auf die gleiche Weise wie beim Akkordeon oder der Mundharmonika: Luft streicht an dünnen Metallzungen vorbei und bringt diese zum Schwingen.“ Doch etwa 85 Prozent aller Instrumente seien nun mal verstimmt und dann hören sie sich eben schrecklich an.

Zweiter Ansatz das Publikum in der Lukaskirche zu irritieren, lag in der ungewöhnlichen Kombination der Instrumente. Das Sopran-Saxofon, dem sich der von Berufs wegen mit Klavieren beschäftigte Gravenhorst seit einiger Zeit intensiv widmet, gehört eigentlich eindeutig zur Jazzmusik. Doch da er sich ausschließlich mit Klassik befasst, wurden eben alle Musikstücke des Abends transponiert, es wurde also in die für diese Instrumente passendere Tonart gewechselt.

Heraus kam eine traumhaft schöne Allianz so unterschiedlicher Instrumente, ein wunderbar warm, weich und sehr harmonisch klingendes Konzert. Doch zu Beginn gab erst einmal die Oboe, im Duett mit dem Harmonium, den Ton an. Ob Max Regers „Ich liege und schlafe“, Charles-Marie Widors „Pavane“ oder „Idylle“ von Adrien Barthe, die beiden Musiker wirkten sehr gut aufeinander eingestimmt, boten einen außergewöhnlichen Hörgenuss.

„Das Harmonium wurde als mobiler Orgel- und Orchesterersatz genutzt, das Saxofon als ein laut spielbares Blasinstrument in einer Blaskapelle. Der aufkommende Jazz vereinnahmte dann das Saxofon für sich. Wir versuchen ihnen heute zu Gehör zu bringen, dass man mit einem Harmonium ein fantastisches Tasteninstrument unter den Fingern hat und mit einem Saxofon sehr wohl auch alte Musik musizieren kann.“ Damit eröffnete Gravenhorst den zweiten Konzertteil. Michael Behrendt, der als Kantor in Kleve am Niederrhein tätig ist, hat seine Faszination fürs Harmonium schon vor längerer Zeit entdeckt. Gemeinsam überzeugten die beiden Musiker mit Werken von Bach bis Bunk und beendeten das Konzert mit dem Komponisten, mit dem sie auch gestartet waren, mit Max Regers „Nachtlied“.

Eineinhalb Jahre gemeinsame Planung ging diesem Experiment, wie Gravenhorst es nennt, voraus. Und dann waren er und Michael Behrendt überrascht, wie gut diese ungewöhnliche Instrumentenmischung klingt – und auch, wie gut es den Zuhörern ganz offensichtlich gefallen hat.

Nun möchte der Bochumer Jörg Gravenhorst dieses Experiment gern wiederholen und ausweiten. Beim evangelischen Kirchentag in Dortmund, im Juni nächsten Jahres, so hofft er, wird diese irritierende Mischung aus „Vergaserpumpe“ Harmonium und dem Jazzinstrument schlechthin, dem Sopran-Saxofon, dort wieder zu hören sein. Und hoffentlich erneut begeisterte Zuhörer für diese Musik einnehmen. FHR
Bildzeile: Der Bochumer Klavierbauer Jörg Gravenhorst (l.) ließ das Sopran-Saxofon, Kantor Michael Behrendt aus Kleve das Harmonium im vermutlich weltweit ersten Konzert dieser Art in der Lukaskirche erklingen.                                                              Frauke Haardt-Radzik

Der Bochumer Klavierbauer Jörg Gravenhorst (l.) ließ das Sopran-Saxofon, Kantor Michael Behrendt aus Kleve das Harmonium im vermutlich weltweit ersten Konzert dieser Art in der Lukaskirche erklingen. Foto: Frauke Haardt-Radzik