Diakonie schafft Raum zum Leben

Erstellt am 24.11.2018

Neues Fliednerhaus öffnet seine Pforten für Wohnungslose

„Es war ein Höllenritt, aber es hat geklappt!“ Noch ist der Zugang zum neuen Fliednerhaus nur über wackelige Platten möglich. Doch zur feierlichen Eröffnung des in nur neun Monaten hochgezogenen Neubaus in direkter Nachbarschaft des VfL Bochum ist allen Beteiligten die Erleichterung anzusehen.

Eine Baugenehmigung innerhalb von vier Monaten, davon träumen private Bauherren nicht mal in ihren kühnsten Träumen. Erst vor knapp zwei Wochen fand die Bauabnahme statt. Doch nun heißt es hier: Versorgung und Bleibe für wohnungslose Menschen in Bochum unter einem Dach.

Die Stadt Bochum hat das neue Fliednerhaus der Diakonie, der Suppenküche und der Aufsuchenden Medizinischen Hilfe übergeben. Die Wohnungslosenhilfe der Inneren Mission – Diakonisches Werk Bochum e. V. bietet im neuen Haus ab sofort Schlafplätze für insgesamt 42 obdachlose Menschen an. Als Jens Fritsch vor vier Jahren bei der Diakonie in Bochum begann, hat er eine Nacht im alten Fliednerhaus zugebracht: „Da wurde mir klar, es muss etwas passieren!“

Noch steht das alte Haus direkt nebenan, Schimmel hatte sich breitgemacht, der Verfall war zu groß, eine Sanierung nicht mehr möglich. Seit 1989 hält die Diakonie Notschlafplätze für Obdachlose in Bochum bereit. „Auch das alte Fliednerhaus war damals schon eine Besonderheit“, wies Fritsch auf die Tatsache hin, dass es dort keine großen Schlafsäle, sondern meist Vierbettzimmer gab. Jetzt stehen hier Doppelzimmer zur Verfügung, das ist eine tolle Errungenschaft. Und es gibt einen echten geschützten Frauenbereich.

Viele Kompromisse sind nötig gewesen, um das Haus, so wie es sich bei der Eröffnung präsentierte, zu ermöglichen. Unter dem neuen Dach wird neben insgesamt 42 Schlafplätzen auch die ehrenamtlich geführte Suppenküche ihre Hilfe anbieten. Außerdem bezog die ebenfalls ehrenamtlich tätige Aufsuchende Medizinische Hilfe für Wohnungslose im neuen Fliednerhaus ihre Räume.

„Der Arzt ist da!“ Wenn dieses Schild an der Wand im großen Gemeinschaftsraum aufleuchtet, weiß jeder der Gäste, dass ein Mediziner im Nebenbereich seine kostenlose Sprechzeit anbietet. Durch eine Verbindungstür gelangen die wohnungslosen Patientinnen und Patienten in den Wartebereich und zu dem komplett neu ausgestatten Untersuchungszimmer.

„Unser Kapital sind die Helfer!“ Mit diesen Worten dankte Prof. Dieter Schulz, Vorsitzender der Suppenküche e.V., den vielen ehrenamtlich Aktiven. Innerhalb von nur fünf Tagen wurde das Mobiliar der Suppenküche im Fliednerhaus aufgebaut.

Ab sofort sorgen die engagierten Ehrenamtlichen dafür, dass hier werktags bis zu 120 Menschen etwas Warmes essen und sich mit Lebensmitteln für den Abend sowie das Frühstück eindecken können. Danach werden die Räume für andere Veranstaltungen genutzt. Sonntags bietet der Mittagstisch der ehemaligen Petrigemeinde hier eine warme Mahlzeit an.

Bisher war die Suppenküche in direkter Nachbarschaft zu Bodo e.V., an der Stühmeyerstraße in der Innenstadt angesiedelt. Die Einrichtung des Straßenmagazins Bodo konnte leider nicht mit zum Stadionring wechseln. Aus Platzmangel wurde diese Idee nicht weiter verfolgt. Das sorgte durchaus für Misstöne. Davon war zur Eröffnung der laut Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch weit und breit einzigartigen Einrichtung nichts zu spüren.

Circa 250 Obdachlose werden in Bochum vermutet, etwa 40 bis 50 von ihnen leben wirklich auf der Straße. Für sie bietet die neue Schlafstätte nun Unterkunft und Schutz für die Nacht. Und am Eröffnungsabend erhielten die wohnungslosen Männer und Frauen aus den Händen des Oberbürgermeisters im neuen Fliednerhaus eine warme Mahlzeit.

                                                                                                          Frauke Haardt-Radzik

Neubau in nur neun Monaten: das neue Fliednerhaus für Wohnungslose. Darüber freuen sich (v.l.) Britta Anger, Sozialdezernentin, Norbert Riffel, Geschäftsführer VBW, Dr. Paul Weyand, Vorsitzender Aufsuchende Medizinische Hilfe für Wohnungslose Bochum e.V., Dr. Gerald Hagmann, Superintendent, Prof. Dieter Schulz, Vorsitzender Suppenküche e.V., Stadtdechant Michael Kemper, Jens Fritsch, Vorstand Innere Mission – Diakonisches Werk Bochum e.V.

Blick in ein Krankenzimmer des neuen Fliednerhauses für Wohnungslose. Fotos: Frauke Haardt-Radzik

Das dreigeschossige Gebäude bietet auf 950 Quadratmetern insgesamt 42 Menschen, in der Regel in Doppelzimmern, 32 für Männer, zehn für Frauen, nächtlichen Schutz vor der Straße. Frauen haben in der ersten Etage einen eigenen Trakt, Tür an Tür mit den Diensträumen der Beschäftigten. Diese sehen durch eine weitere gläserne Pforte, wer hinein will. Zudem gibt es zwei Übernachtungszimmer für Behinderte und ein Genesungszimmer für kranke Schlafgäste. „Die Zimmer sind barrierefrei, haben breitere Türen und sind mit Notruffunktionen ausgestattet“, betont Heilerziehungspflegerin Beate Eisentraut. Die restlichen Räume, alles Doppelzimmer, sind für 17- bis 23-Jährige; ältere Männer kommen im zweiten Obergeschoss unter. Insgesamt sechs Mitarbeitende der Diakonie sind im Schichtdienst jeweils zu zweit für den reibungslosen Ablauf in der Schlafstätte am Stadionring zuständig. FHR