125 Jahre in Werne: Gemeinde ist ein wichtiger Bestandteil des Stadtteils

Erstellt am 10.09.2018

Dreitägiges Fest zum 125-jährigen Bestehen der evangelischen Kirchengemeinde Werne

Rund 400 Besucher beim Open-Air-Familiengottesdienst mit den drei Kindertagesstätten der Gemeinde, etwa doppelt so viele Gäste beim anschließenden Fest im und rund um das Erich-Brühmann-Haus: Die evangelische Kirchengemeinde Werne feierte mit einem dreitägigen Fest ihr 125-jähriges Bestehen.
 
Das Fest war deshalb für Pfarrerin Gisela Estel - gemäß dem Festmotto "Ein Haus aus lebendigen Steinen" - ein Tag der Menschen. Sie erklärte sichtlich zufrieden beim Festakt: "Wir haben zwar viele feste Steine. Die zahlreichen lebendigen Steine, die die Gemeinde mittragen und -aufbauen, sind unser eigentliches Fundament."

Den Festakt eröffnete Landtagsvizepräsidentin Carina Gödecke. Ihr Thema: "Wandel der Kirchengemeinde über die Jahrhunderte". So hielt sie fest, dass die Kirchengemeinde Werne schon vor der Gründung am 1. November 1893 eine eigenständige Tochtergemeinde der Lütgendortmunder Muttergemeinde Bartholomäus war. Gödecke: "Seit der Reformationszeit gab es hier eine Kapelle, obwohl die Kirche nur 2,5 Kilometer entfernt liegt. Sie hatte einen Gottesdienst- und einen Schulraum." Mit der Gemeindegründung habe ein weiterer Ausbau der Arbeit stattgefunden.

"Derzeit befinden wir uns im Zeitalter einer gegenläufigen Bewegung", sagte die Politikerin mit Bedauern: "Pfarrstellen werden reduziert, Gemeindehäuser und Kirchen geschlossen." Für Werne erklärte sie dazu: "Die Gemeinde ist mit der Kirche, dem Erich-Brühmann-Haus und dem Jugendhaus ein wichtiger sozialer und integrierender Bestandteil des Stadtteillebens. Sie soll das ,Dorf‘ nicht verlassen, denn dann fehlt etwas Wichtiges in der sozialen Gemeinschaft." Ihr Fazit: "Kirche ist für mich unverzichtbar."

Superintendent Gerald Hagmann würdigte die gemeindliche Arbeit, vor allem in der Diakonie. "Ihren Einsatz für Arbeitslose, Migranten, Menschen auf der Flucht sowie für junge Leute in schwierigen Verhältnissen finde ich beeindruckend", sagte Hagmann. Dass auch die Geselligkeit und die Seelsorge eine große Rolle spielen, freute ihn zudem.

Festredner Prof. Günter Brakelmann eröffnete eine weitere Facette: den Rückblick auf den ersten Gemeindepfarrer Martin Luther (1893 bis 1913). Er stellte damit sein Jubiläumsbuch "Martin Luther in Bochum-Werne" vor.

Eine Pilgeraktion - zu Fuß und per Fahrrad - ging am Samstag dem Festtag voraus. Dabei ging es von der Bartholomäuskirche (Muttergemeinde) zur Kirche in Werne. Die 30 Pilger zu Fuß machten an mehreren Stationen Halt, hörten Berichte zur Geschichte der Orte und sangen Lieder.

                                                                      Fritz-Wicho Herrmann-Kümper
 

Martin Luther – Der erste Pfarrer in Werne

Prof. Günter Brakelmann stellte sein Jubiläumsbuch "Martin Luther in Bochum-Werne" vor. Foto: Fritz-Wicho Herrmann-Kümper

 "1913 beging er Selbstmord!". Das betonte Prof. Günter Brakelmann eingangs, als er beim Festakt zum 125-jährigen Bestehen der evangelischen Kirchengemeinde Werne sein Jubiläumsbuch "Martin Luther in Bochum-Werne" vorstellte. Dieses umfasst auf 98 Seiten einen Rückblick auf den ersten Gemeindepfarrer Martin Luther (1893 bis 1913), der die Auspfarrung aus der Muttergemeinde Bartholomäus in Lütgendortmund organisierte. Später kam der Bau der Kirche und weiterer Gebäude hinzu.

Der Selbstmord war zwar damals ein völlig unmoralisches Ereignis, wodurch dem Pfarrer ein kirchliches Begräbnis durch die vorgesetzte Behörde verwehrt wurde. Der ehemalige Professor für Christliche Gesellschaftslehre folgte dieser Verurteilung, die er auch in dem Ausblenden solcher Schattenseiten von Kirche durch die offizielle kirchliche Geschichtsschreibung sah, nicht. Er arbeitete vielmehr dessen Privat- und Berufsleben - insoweit durch Quellen nachvollziehbar - heraus. Brakelmann: "Hier geht es darum, zuerst die Moral, Hoffnungen und Ängste von Martin Luther in seiner Zeit zu verstehen, dann zu urteilen, aber nie zu verurteilen."

Das hieß, der Autor ging ausführlich auf die Lebensgeschichte und Krisen des Pfarrers ein, der am 22. Februar 1891 in der Werner Kapelle ordiniert und anschließend als Hilfsprediger in der Gemeinde zum Einsatz kam. Seine Aufgabe: Aufbau der neuen Gemeinde. "Das war von zahlreichen Beschwerden bei seinen Vorgesetzten begleitet", berichtete der 87-Jährige Theologe und Historiker, der diese teilweise bis ins Detail aufzählte.

Die Auseinandersetzungen mit den kirchlichen und staatlichen Behörden rissen danach nicht ab. Hinzukam eine finanzielle Berg- und Talfahrt des streitbaren Pfarrers. Durch die Heirat mit der Bauernwitwe Marie Henriette Wiethoff zählte Luther ab Februar 1898 zu den Wohlhabenden im damals eigenständigen Werne.

Auch als die Ehefrau schon 1905 starb, ging es weiter. Zum Schwerpunkt der Kritik gerieten jedoch seine wirtschaftlichen Interessen. Darin sah Brakelmann auch den Grund für den späteren Doppelselbstmord, den der Pfarrer zusammen mit dem Bauern Wilhelm Große-Brauckmann beging. Brakelmann: "Am Ende war er pleite."
 
Das Taschenbuch "Martin Luther in Bochum-Werne" ist zu beziehen über die Evangelische Stadtakademie, Tel. 0234/96 29 04-661, und über die Gemeinde Werne, Tel. 0234/23 65 57, E-Mail: bo-kg-werne@kk-ekvw.de. Kosten: 9 Euro.
                                                                                                                                                                                                              Fritz-Wicho Herrmann-Kümper